Die vier apokalyptischen Reiter

 

a) Rezensionen zur Uraufführung „Die vier apokalyptischen Reiter“
b) Sonetten-Texte und Werkanalytisches

 

Rezensionen zur Uraufführung
Trierischer Volksfreund, 15. Juni 2003

Bravos, Bravour und Bescheidenheit
Uraufführung des Oratoriums von Heinz Heckmann findet große Zustimmung
Gerhard W. Kluth
"Mit einem Bilderbuchstart gingen die 16. Moselfestwochenin die neue Saison. Der Mut der Festspielleitung, eine Uraufführung auf das Programm zu setzen, hat sich gelohnt: Das Publikum reagierte begeistert.Mit stehenden Ovationen endete das Eröffnungskonzert der 16. Moselfestwochen in der ehemaligen Abteikirche St. Maximin. Ein Auftakt, wie ihn sich Intendant Hermann Lewen nicht besser hätte wünschen können… Gegensätzlich war es, was das Publikum in der Nahezu ausverkauften Abteikirche erlebte. Den Auftakt bildete das „Te Deum“ von Anton Bruckner… (Die Solisten) taten ihr Bestes, die Herrlichkeit Gottes mit aller gebotenen Pracht und menschlicher Demut musikalisch anzubeten. Das Ergebnis war überzeugend, klang ehrlich und nicht affektiert.
Nach diesem Höhenflug der religiösen Emotionen war es Heckmann, der mit seinem Oratorium „Die vier apokalyptischen Reiter“ das Publikum auf den brutalen Boden der Realität zurück holte und das wahre Gesicht der menschlichen Kreatur ungeschminkt in den Raum stellte. Basierend auf Gedichten des Salvatorianerpaters Manfred H. Ruhrmann, deren Grundlage die Offenbarung des Johannes ist, wird Heckmann mit seinem gewaltigen Opus zu einem Rufer, einem Mahner, der klar aufzeigt, wohin die Reise der Menschheit gehen wird.
Heckmann hat mit seinem Oratorium nichts „Schönes“ geschaffen – wie sollte er auch, bei diesen Inhalten?. Er hat ein Werk geschrieben, das im allerbesten Sinne des Wortes als beeindruckend bezeichnet werden muss. Heckmann lässt keinem Zuhörer die Chance, sich aus der Schar der Angesprochenen heraus zu nehmen. Die Grundlage des Werks, das steht zu befürchten, wird auch in vielen Jahren noch nichts von ihrer Aktualität einbüßen. Mit moderat-modernen Stilmitteln verleiht er dem Ruhrmannschen Text einen intensiven, kompromisslosen Nachdruck.
Die ersten sieben auf den Gedichten beruhenden Sätze muss man als kongeniale Schöpfung ansehen. Mit dem Epilog aber kommt Heckmanns innerste christliche Überzeugung zum Tragen, die Zuversicht, dass es einmal ein besseres Leben in einer neuen Welt geben wird. Er löst sich von Ruhrmanns düsteren Bildern und richtet den Blick auf das neue, zugesagte Jerusalem. Hier schloss sich der Kreis, der mit Bruckner so prachtvoll geöffnet wurde.
Den Ausführenden verlangte Heckmann große Leistung ab, die sie beeindruckend erfüllten. Chor und Orchester waren bis zur letzten Note konzentriert bei der Sache, ließen kaum einmal ein Schwanken erkennen. Ein Kompliment auch an May, dem es sehr gut gelang, den großen Klangapparat trotz etlicher rhythmischer Hürden beieinander zu halten… Beim Komponisten, dem die Bravo-Rufe galten, konnte man nach der Uraufführung nur Bescheidenheit feststellen. Kein Stolz auf sein Werk und die große Annahme durch das Publikum, sondern Dankbarkeit gegenüber den Ausführenden und eine Regung, die vielleicht typisch für Heckmann ist. Sein erster Kommentar nach dem Konzert: „Es ist für mich eine unbeschreibliche Ehre, dass mein Werk zusammen mit einer Komposition von Anton Bruckner aufgeführt wurde."

 

Eröffnungskonzert der Mosel Festwochen: Heckmann „Die vier Apokalyptischen Reiter“
28. Mai 2003, St. Maximin, Trier, Autor: Ulrich Teusch
Beitrag für die Sendung SWR 2 „Kultur im Land“, 30. Mai 2003, 11.40 Uhr - 12.00 Uhr

Text des Beitrags:
„Wacht auf! Wacht auf!“ Ergreifende, aufrüttelnde Worte, mit denen gleich zu Beginn Chor und Orchester den weiten Raum von St. Maximin erfüllen. Wenn es wenig später bekräftigend heißt „Steht auf!“, „Prüft das Gewissen!“, dann ist dies mehr als ein bloßer Appell, es ist ein Imperativ, eine Forderung: nach Buße, Besinnung, Umkehr.
Heinz Heckmanns Oratorium „Die vier apokalyptischer Reiter“ ist die Vertonung eines siebenteiligen Sonettenzyklus’ aus der Feder des Salavatorianerpaters Manfred Ruhrmann. Ruhrmanns Text entstand Anfang der 50er Jahre, noch unter dem Eindruck der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs. Er basiert auf den ersten acht Versen des 6. Kapitels aus der Offenbarung des Johannes und bietet alles andere als vergeistigte, christliche Erbauungslyrik. Aus beinahe jeder Zeile spricht heiliger Zorn. Eine direkte, konkrete Ansprache an den von Gott abgefallenen Menschen von beinahe altestamentarischer Wucht; offene, schonungslose Worte, von schneidender Schärfe. Weniger eine Klage als eine Anklage. Das Unheil, von dem der Text berichtet, ist von Menschen gemacht; die vier Reiter sind real, doch sie sind, wie sie versichern, von keiner „teuflischen Chimäre“, sondern von den Menschen selbst hervorgebracht worden. Wenngleich Ruhrmann keinen vordergründig politischen Text geschrieben hat, ist dessen Aktualität auch heute, ein halbes Jahrhundert später, noch mit Händen greifbar: etwa wenn die Gier nach immer neuen Waffen gegeißelt oder der Krieg als
profitables Geschäft mit dem Tod anderer gebrandmarkt wird. Die Solistin Margarethe Joswig:
O-Ton aus „IV Der Krieg“ von „wenn Ihr Euch müht...“ bis „...am Tod Euch reich zu raffen?!“
Heckmann hat die endzeitliche Grundstimmung des Textes, den pessismistischen, anklägerisch-verzweifelten Ton ebenso wie die gegen Ende aufscheinende vage Eventualität des Trosts oder der Umkehr, musikalisch überzeugend umgesetzt: eine subtile Instrumentierung, vorzüglich aufeinander abgestimmte Chor-, Orchester- und Solisteneinsätze, eine effektvolle Dramatisierung der Worte, Leitmotive, Steigerungen, Wiederholungen, gelegentlich Dissonanzen, die klug in die Gesamtkomposition integriert werden. Die Präsentation des Werks ließ kaum Wünsche offen. Beteiligt waren das Städtische Orchester Trier, der Trierer Konzertchor sowie ein hochkarätiges Solistenquartett - neben Margarethe Joswig sangen Stefanie Krahnenfeld, Helmut Wildhaber und der überragende Bariton Siegmund Nimsgern. Die Gesamtleitung lag in den Händen des gewohnt umsichtigen und souveränen Konzertchor-Chefs Manfred May.
So waren die Weichen gestellt für einen großen, bewegenden Konzertabend. Dass es dazu am Ende dann doch nicht ganz reichte, hat sich der Komponist letztlich selbst zuzuschreiben. Denn bedauerlicherweise hat Heckmann im Rahmen seiner Umarbeitung des Oratoriums, die er für die jetzige Uraufführung vorgenommen hat, nicht der Versuchung widerstehen können, Ruhrmanns literarischer Vorlage noch einen erwartungsfrohen, das „himmlische Jerusalem“ beschwörenden Epilog anzufügen: entnommenen aus dem 21. Kapitel der Johannes-Apokalyse. Gewiss täte man dem Komponisten Unrecht, wenn man diesen gravierenden Eingriff als vordergründige, versöhnlich-harmonisierende Verwässerung des Urtexts deuten würde. Gleichwohl wirkt der Epilog aufgesetzt, markiert einen Bruch, ist auch musikalisch eher konventionell und plakativ geraten. Schade, dass Heckmann es nicht beim Text Ruhrmanns belassen hat - der Kontrast seiner Komposition zu dem im ersten Teil des Abends dargebotenen, leuchtenden „Te Deum“ Anton Bruckners hätte beklemmender kaum sein können!"

 

Luxemburger Wort – Kultur / La vie culturelle, 3. Juni 2003, W. Stauch-v. Quitzow
Nach der Apokalypse das himmlische Jerusalem
Die Moselfestwochen wurden in Trier mit der Uraufführung eines Oratoriums von Heinz Heckmann eröffnet
"Es hat lange in der Schublade gelegen, das Oratorium „Die vier apokalyptischen Reiter“ des Trierer Komponisten Heinz Heckmann, das dieser in den Jahren 1981/82 im Auftrag des rheinland-pfälzischen Kultusministeriums komponierte, das aber nie aufgeführt worden ist. Nun kam nach über 20 Jahren doch noch der Tag der Uraufführung und mit ihr wurden zugleich in der ehemaligen Abteikirche St. Maximin in Trier die diesjährigen Moselfestwochen vor ausverkauftem Publikumsszenario eröffnet.
Heckmann, dessen kompositorische Arbeit sich stets mit seiner langjährigen Tätigkeit als musikalischer Lehrer und Pädagoge verbunden hat, griff in seinem Oratorium auf einen Text zurück, den der Salvatorianerpater Manfred Ruhrmann noch unter dem Eindruck der Ereignisse des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1952 im Anschluss an die ersten Verse des sechsten Kapitels der Offenbarung des Johannes verfasst hatte. Indes, die nunmehrige Uraufführung wandelt die erste Fassung des Werkes von Heckmann ab, indem der Komponist einen Epilog hinzufügt, der seinerseits auf das 21. Kapitel der Johannes-Offenbarung reflektiert.
Somit folgt auf das Geschehen um die vier apokalyptischen Reiter am Ende schließlich das himmlische Jerusalem, und vielleicht war es auch dieser Kunstgriff, der nach der eineinviertel-stündigen Dauer des Oratoriums das sich erhebende Auditorium im weiten Raum der Abtei zu Bravo-Ovationen herausforderte, die aber nicht zuletzt ebenso der inspirierten Interpretation der musikalisch Auftretenden galten. Diese setzten sich aus dem Städtischen Orchester Trier, das mit dieser Darbietung zugleich sein 8. Saisonkonzert bestritt, dem Trierer Konzertchor und den Solisten Stefanie Krahnenfeld (Sopran), Margarete Joswig (Mezzo-Blick Blick in die fast vollbesetzte Abteikirche St. Maximin (Foto: Moselfestwochen)
Sopran), Helmut Wildhaber (Tenor) und Siegmund Nimsgern (Bariton) zusammen, die von Manfred May in eindrucksvoller Weise in das Deutungsgeschehen von Musik und Text integriert wurden.
„Wacht auf!“ heißt es zu Beginn in der ersten der sieben Sonetten, in der der Sturm der Reiter angekündigt wird. Der Chor ruft scharf, begleitet von Bläsern, Becken- und Paukensignalen. Das Orchester intoniert in schriller Klangfarbe das im Text angekündigte Lebensdesaster. Ein wuchtiger Klagegesang erhebt sich im zweiten Teil der „Klagenden Menschen“. Auf Solopartien der beiden Soprane folgen am Ende Chorrufe mit rauschender Orchesterbegleitung. „Zermalmende“ Beckenschläge künden durch die „richtenden Reiter“ das Ende der Geduld bei den Apokalyptikern an. Die Komposition zeigt hier, wie sie in dramatischer Eindeutigkeit allen Textpassagen auf der Spur ist, wo sich stets die solistischen Aussagen mit denen des Chors mischen. Das gesamte Oratorium wartet dabei durchaus mit epischen und erzählenden Zügen auf, und die Streicher des Orchesters bieten dabei durchgehend im ganzen Werk eine sonore Klangunterlage.
In den Werkteilen „Der Krieg“, „Der Tod“, „der Hunger“ und schließlich in „Der Friede“ wird die von Menschen erzeugte Apokalypse und die Sehnsucht nach Frieden klar artikuliert, und das imposante Solistenensemble deutet die zerbrochenen Hoffnungen in jeweils individueller Weise. Der Dirigent formt den Chorduktus in der eher traditionellen Form des gesanglichen Ausdrucks, während das Orchester zwischen Bußweg, Geißelung und donnernden Kriegsmotiven seine ebenso eindringlichen Signale setzt. Doch dann folgt der nachstrukturierte „Epilog“ und das musikalische Geschehen bejubelt das neu entdeckte himmlische Jerusalem in dynamischer Gestalt und in einem dramatischen Halleluja und Amen-Schluss-Gesang…“

 

PAULINUS, 15. Juni 2003, Alexander Daun
Den Blick auf die Zukunft gerichtet
Oratorium „Die vier apokalyptischen Reiter“ in Trier uraufgeführt
Text geht auf verstorbenen Saarburger Seelsorger zurück

Die Uraufführung des Oratoriums „Die vier apokalyptischen Reiter“ des Trierer Komponisten Heinz Heckmann, die neben dem „Te Deum“ von Anton Bruckner zur Eröffnung der „Moselfestwochen 2003“ in Trier St. Maximin dargeboten wurde, sorgte bei den Zuhörern für große Begeisterung.
"Es sei mutig, das Programm des Musikfestivals mit einer Apokalypse zu eröffnen, hatte der „Moselfestwochen“-Intendant Hermann Lewen zu Beginn des Konzerts in der fast ausverkauften ehemaligen Abteikirche gesagt. Die euphorischen Reaktionen des Publikums (in dessen Reihen auch viele Prominente aus Politik und Kirche auszumachen waren) auf die Aufführung des Orchesters der Stadt Trier, des Trierer Konzertchors… gaben dem Intendanten jedoch Recht, mit dieser Wahl den richtigen Weg beschritten zu haben.
Nach dem „überwiegend im jubilierenden, feierlich strahlenden C-Dur geschriebenen Te Deums“ – so die Angaben von Manfred May, der das Konzert leitete – änderte sich mit dem Beginn der „Vier apokalyptischen Reiter“ die Stimmung. Mit einer Art Knall begann der erste Satz, der mit „Wach auf!“ überschrieben ist. „… Der erste Satz ist eine harte Kost, hatte Heckmann vor der Aufführung geäußert. Nach dem Orchestervorspiel setzte mit einem wiederholten „Wacht auf!“ der Chor ein und auch der Gesang des Bariton- und Tenor-Solisten mahnte: „Nehmt euch in acht!“ und „Seid euch bewusst!“. Der Raum wurde von einem gewaltigen, drohenden und schon fast Furcht einflößenden Gesang erfüllt.. Ändern sollte sich die oft düstere, dramatische Stimmung erst gegen Ende des Werks.
Dem rund 75minütigen Oratorium von Heinz Heckmann – für Orchester und Sänger übrigens keine „Liebe auf den ersten Blick“ – liegt ein links: St. Krahnenfeld (Sopran), rechts:  M. Joswig (Mezzosopran) siebenteiliger Gedichtzyklus des 1995 verstorbenen Salvatorianerpaters Manfred Ruhrmann zugrunde… „Ruhrmanns Dichtung hat mich sehr bewegt. Ich wollte den Text, weil er mir viele Möglichkeiten der musikalischen Auslegung bot“, beschreibt der Komponist seine damaligen Beweggründe, den Text zu vertonen. Die Auseinandersetzung mit Leben und Tod, sagt der 70jährige, sei eines der Themen, die ihn immer wieder bewegten.
Für die jetzige Aufführung hat der Komponist sein Oratorium gründlich überarbeitet, zum Teil verändert und ganze Teile neu hinzukomponiert – die jüngsten Umarbeitungen noch zwei Tage vor der Uraufführung. Die größte Veränderung zur ersten Fassung aber ist die Hinzufügung eines achten Satzes – des Epilogs. „Der erste Schluss des Stücks, der ‚Friede‘ erscheint mir heute als zu niederdrückend“, erzählt der gebürtige Trierer. Durch die Ergänzung eines weiteren Satzes wollte der Komponist nicht bei den „schlimmen Dingen“ stehen bleiben, sondern den Blick auf die Zukunft lenken. Dafür griff er die Beschreibung des „Himmlischen Jerusalems“ aus der Offenbarung des Johannes – der Apokalypse – auf, die mit den Worten beginnt: „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Ich sah die heilige Stadt, das himmlische Jerusalem“ (Offb 21,1-5). Die Änderung an seiner Komposition habe er unter dem Eindruck seiner Lebenserfahrung, aber auch des 11. Septembers und des Irak-Kriegs vorgenommen: „Es gibt genug Schlimmes auf der Erde. Es muss auch eine Zukunft geben“, beschreibt der Komponist seine Motivation zur Veränderung seines Werks.
Die Gewissheit göttlichen Glanzes steht im Zentrum
Die „aggressive Tonsprache des Anfangs“ ist im Epilog nun verschwunden. Der Abschluss klinge jetzt, wie der Komponist findet, „stilistisch versöhnlich“. Nach den Worten „Halleluja, danket dem Herrn! Seine Huld und Gnad‘ währet ewiglich“ endet das Werk in einem mehrfachgesteigerten „Amen“, das laut Heckmanns Beschreibung „nach einem nochmaligen großen Crescendo in den G-Dur-Schlussakkord geführt wird“. So stehen dann, wie Martin Möller im Programmheft befand, „nicht die Plagen der Endzeit und die Angst der Menschen mehr im Zentrum, sondern die „Gewissheit göttlichen Glanzes“.
Der Theologe Wilhelm Maas hebt würdigend hervor, dass „die geistliche Poesie der Sonette, zusammen mit der inspirierenden Kraft der Musik des Oratoriums, den Hörer vielleicht zu einem vertieften ‚Verstehen‘ der apokalyptischen – das heißt den Schleier des Sinnes der Weltgeschichte lüftenden – Offenbarungstexte führen“ könne.


b) Sonetten-Texte und Werkanalytisches
Ein siebenteiliger Sonettenzyklus und
ein Epilog mit Worten aus der Apokalypse des Johannes
Text: Pater Manfred H. Ruhrmann, Salvatorianer
Musik: Heinz Heckmann

Aus dem Programmheft:
Die vier apokalyptischen Reiter
Oratorium für Soli, Chor und großes Orchester

I. „Wacht auf!“
Wacht auf! Wacht auf! Im Sturm der Wolken reitet
ein dunkler Hauf, und wach sollt Ihr ihn fragen,
ob er Euch will zu Gottes Füßen jagen,
ob er, vom Teufel, für den Teufel streitet.
Seid Euch bewusst, dass es vielleicht bedeutet,        
was längst ist prophezeit: In jenen Tagen
wird Mond und Sonne Glut und Glanz versagen
 und wird der Welt der Untergang bereitet.
Nehmt Euch in acht! eh denn Ihr mitgerissen
und ohne Schonung von des Schicksals Hufen
zertreten seid. Steht auf! Prüft das Gewissen,
ob Ihr durch Euer trotziges Empören
den Sturm der Reiter habt heraufgerufen.
Vielleicht könnt Ihr noch einmal sie beschwören.

II. Die klagenden Menschen
Wer zeugte Euch, wer Eure wüsten Tiere?
Wer hat Euch, Missgeburten, ausgestoßen
Aus unheilschwangren, schwarzen Schicksalsschoßen?
Wer trieb Euch her in unsere Reviere?
Sagt wenigstens, Ihr rätselhaften Viere,
was Ihr uns wollt. Wir schauern schon im bloßen
Gedanken, Euch nur flüchtig anzustoßen,
so ekelhaft sind Eure Geschwüre.
Die Wangen bleichen uns vor Angst und Jammer;
wir taumeln von der dunklen Furcht betrunken,
dass Ihr uns einstampft wie das Korn der Kammer.
Geht, geht! Ihr tragt die Pest auf Euren Gäulen!
Oh geht, eh wir von Eurem Gifthauch hingesunken
wie unsrer Hoffnung längst gebrochne Säulen!

III.  Die richtenden Reiter
Uns zeugte keine teuflische Chimäre.
Ihr selbst habt uns gezeugt, habt uns geboren    
aus Eures Herzens aufgerissnen Toren!
Nun gähnt in Euch die Angst der dunklen Leere.
Ihr taumelt von der eignen Schuldenschwere;
entmarkt von Gnade, der Euch Gott erkoren,
geht Ihr an feiger Müdigkeit verloren.
Nur Schimpf und Schande blieb von Eurer Ehre.
Ihr seid noch einmal von uns aufgerufen!
Doch sind die Stunden der Geduld vollendet,
zermalmen wir Euch unter unsren Hufen.
Weh Euch am Tag des gnadenlosen Zornes,
habt Ihr das Herz bis dahin nicht gewendet
und aufgetan dem Strom des Gnadenbornes!
IV. Der Krieg
Ihr glaubt doch nicht, ich lobe Euer Schaffen,
wenn Ihr das Blut mit seinen besten Kräften
in toller Trunkenheit gleich giftgen Säften
verschüttet, dass die leeren Adern klaffen;
wenn Ihr Euch müht um immer neue Waffen
und lüstern giert nach frevelnden Geschäften;
wenn Dolch und Schwerter ihr bis zu den Heften
ins Leben stoßt, am Tod Euch reich zu raffen?!
Es wird Besitz Euch nie durch Krieg gelingen,
verkehrt Ihr herzlos mordend seine Rechte,
um Ehre und um Brot und Raum zu ringen!
Wer Wunden schlägt, muss auch die Wunden schließen,
soviel er schlägt im Grimme der Gefechte!
Kein Krieg gibt Recht, vom Kriege zu genießen!

V. Der Tod
Ihr setztet mich zum Moloch Mord hernieder
mit Opfern einer Hekatombenfülle.
Trüg ums Gebein ich Eures Fleisches Hülle,
sie platzte mir wie ein zu enges Mieder.
Solch Riesenübermaß läuft selbst zuwider
dem Warnbild der prophetischen Sibylle.
Zunichte wurde Gottes Wunsch und Wille,
einander beizustehn wie gute Brüder.
Ihr machtet Euch zu meinen Widersachern,
seit Ihr die Brüder vor mir niederstrecktet,
um Euer Leben dafür zu erschachern.
Mich schauderts, dass Ihr dessen Euch noch brüstet,
und dass vor solcher Schmach Ihr nicht erschrecktet.
Euch sucht der Mord, bis Ihr dies Morden büßtet!

VI. Der Hunger    
Betrügt Euch doch nicht selbst! Wer mich missachtet,
verschlimmert nur sein sträfliches Gebaren
und treibt es schändlicher als die Barbaren!    
Ich sah ja, wie den Bettler Ihr verlachtet,

den jene noch als ihren Gast betrachtet,    
wenn harte Not sie zwang, zu Feld zu fahren.    
Sie opferten den Göttern und den Laren,    
derweil Ihr Euch zu Herrn und Göttern machtet.

Ihr liebt's, den Bauch zu schmeicheln und zu mästen,
ob auch der Bruder neben Euch verhungert,    
der sich begnügen würde mit den Resten.

Zu geizen und um Wein zum Brot zu schreien
ist Blasphemie, wenn Ihr den Tag verlungert,
statt, dankbar für das Brot, ihn Gott zu weihen!

VII. Der Friede

Es bleibt Euch nur der Bußweg noch zum Frieden,
den Eures Herzens Sehnsucht, ach, schon immer,
nun schier verzweifelt heischt, wo kaum mein Schimmer
noch auf Euch fällt, weil Ihr mich selbst gemieden.

Ihr habt durch Krieg Euch wider mich entschieden,
so dass ich todestraurig in die Trümmer
zerbrochner Hoffnung wich. ‑ Doch ständ es schlimmer,
wär ich aus Eurer Sehnsucht schon geschieden.

Ich bin gegeißelt zwar und wüst bespieen
von Eures Hochmuts unbezähmten Schlägen
und Eures Hasses Gift; doch nur nicht fliehen!
Denn Flucht wirkt Fluch! Nur knieen! Knien, Ihr Sünder,
soll Gott, versöhnt, auf Euch den Segen legen;
Ihr seid auch noch als Sünder Seine Kinder!


VIII. Epilog
Aus der Apokalypse des Johannes, Kapitel 21, Vers 1‑5
Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde.
Ich sah die heilige Stadt, das himmlische Jerusalem,
die von Gott her aus dem Himmel herabstieg auf die Erde,
schön wie eine Braut geschmückt für ihren Bräutigam.
Und vom Throne her ertönte eine laute Stimme:
Hier wohnt Gott gemeinsam mit den Menschen.
Sein Volk werden wir sein.
Er ist als ihr Gott für immer bei ihnen.
Alle Tränen wird er abwischen von ihren Augen.
Es wird keinen Tod mehr geben,
keine Trauer, keine Klage, keine Schmerzen, keinen Tod.
Der auf dem Throne sitzt, Er spricht:
Siehe, ich mache alles neu –
Halleluja, danket dem Herrn!
Seine Huld und Gnad' währet ewiglich.
Amen.


Die Komposition „Die vier apokalyptischen Reiter“ entstand in den Jahren 1981/82 als Auftragskomposition des Landes Rheinland-Pfalz. Für die jetzige Uraufführung wurde die Partitur gründlich überarbeitet, zum Teil stark verändert und ganze Teile neu hinzu komponiert, insbesondere der Epilog , der auf einer Textauswahl aus der Apokalypse des Johannes beruht. Ich habe sie meiner jetzigen Kompositionsmethode und Ästhetik angepasst, die Instrumentation stellenweise verdichtet oder aufgelichtet und die Partien der Gesangssolisten um den Sopran erweitert.
Der erste Satz - Allegro ma non troppo e vehemente - ist von einem Orchestervorspiel im Triolenrhythmus auf den Tritonus f-h konzentriert und wird im weiteren Verlauf durch Hinzutreten des Tritonus g-cis in seiner dissonanten Klangwirkung verschärft und durch den Choreinsatz „Wacht auf“ dramatisiert, u.a. durch ein Übereinandertürmen von großen Septimakkorden in den Holz- und Blechblasinstrumenten, lediglich unterbrochen durch eine kurze Beruhigung bei dem Choreinsatz „Und wach sollt ihr ihn fragen“. Der Mahnung des Baritonsolisten „Seid euch bewusst“ folgen wieder synkopisch verschobene Einsätze in allen Instrumentengruppen von großen Septimintervallen, darin eingebunden der Chor mit den apokalyptischen Worten: „In jenen Tagen wird Mond und Sonne Glut und Glanz versagen“. Die Dramatik der Worte „Nehmt euch in acht, eh’ denn ihr mitgerissen“ ist wieder eingebunden in die zu Anfang erklingenden Triolen-Tritonie des Orchesters. Erst in den letzten 20 Takten tritt eine allmähliche Beruhigung des Klanggeschehens ein, und der Satz endet in weichen, pianissimo gehaltenen Klängen.
Der zweite Satz „Die klagenden Menschen“ beginnt mit einem viertönigen chromatischen Bass-Ostinato in Celli und Kontrabässen, darüber ein Tremolo der ersten und zweiten Violinen in großen Septimen und nach zwei Takten das Hinzutreten des „Klagethemas“ in den Holz- und Blechblasinstrumenten, schließlich der Chor mit seinem Klagegesang unter Beibehaltung des Ostinatos und der Geigentremoli. Ein Orchesterzwischenspiel, in dem das Ostinato polyphon in verkleinerter und vergrößerter Form von verschiedenen Instrumenten aufgegriffen wird und in dem der Chor nochmals mit seinem Klagegesang eingebettet ist, lässt durch den Gesang des Solo-Soprans und etwas später des Mezzosoprans die Angst und die Abscheu, die in dem Text beschrieben werden, musikalisch zum Ausdruck kommen. Eine Orchesterüberleitung mit mehreren übereinander aufgetürmten, scharf dissonierenden Akkorden führt zu der aufschreienden Bitte: „Geht, ihr tragt die Pest auf euren Gäulen“, dann aber allmählich ausklingend in einen verhaltenen Schluss dieses Satzes.
Der dritte Satz steigt langsam, synkopisch mit einem Fünftonmotiv in Ganztonschritten in den hohen Instrumenten auf, dagegen führen die tiefen Instrumente ein in Ganztonschritten gehaltenes Viertonmotiv abwärts und münden in eine etwas mildere Sext-Terzharmonik. Im Chorsatz „Uns zeugte keine teuflische Chimäre“ werfen Posaunen und Pauke synkopische „Störrhythmen“ ein, und die Streich- und Holzblasinstrumente umspielen und dramatisieren durch schnelle Zweiunddreißigstel-Läufe den Chorpart. Eine Wiederaufnahme der Anfangstakte führt erneut in die lichte Sext-Terzharmonik in „Ihr taumelt von der eignen Schuldenschwere entmarkt von Gnade, der euch Gott erkoren“. Der terrassenförmig verschobene, über einem Streichertremolo einsetzende Chorpart „Nur Schimpf und Schande“ gipfelt in den Worten: „Ihr seid noch einmal von uns aufgerufen“ sowie „Zermalmen wir euch unter unseren Hufen“, um dann noch einmal versöhnlich in der lichten Atmosphäre der Sext-Terzharmonik zu enden.
Der vierte Satz „Der Krieg“ - ohne Chor und nur für Mezzosopranstimme – ist in seiner Instrumentation im Gegensatz zu allen übrigen Sätzen fast kammermusikalisch angelegt. Die sich zu den Streichinstrumenten hinzugesellende Oboe und Trompete lassen signalartige rhythmisch prägnante Motive erklingen, begleitet von sehr komplexen Rhythmen der kleinen Trommel.
Im fünften Satz „Der Tod“ erklingen über einem Triolenrhythmus der Pauke in den Streich-, Holz- und Blechblasinstrumenten große Septimklänge von düsterer Wirkung, die plötzlich von einem Holzbläserunisono abgelöst werden und in ein Tenorsolo „Ihr setztet mich zum Moloch Mord hernieder“ münden. Der Solosopran, der das gesangliche Geschehen weiterführt, wird von schnellen Holzbläsersechszehnteln und einer unisono gehaltenen Streichergegenstimme begleitet. Die Harmonik des folgenden Chorteiles ist durch verminderte Septakkorde gekennzeichnet und wird in Pauke, Celli und Kontrabässen von einem rhythmisierten Orgelpunkt gestützt. Dissonante Septimklänge der Streichinstrumente begleiten den sich anschließenden dramatischen Sopranpart, während der chorische Schlussteil schließlich verhalten im Orchester endet.
In den sich gegensätzlich verhaltenden Themen des sechsten Satzes „Der Hunger“ stoßen sehr scharf gestaltete punktierte Rhythmen im ersten auf eine ruhige, in chromatischen Achteltonschritten geführte Linie im zweiten, um in den von Streichertremoli begleiteten Chorteil „Betrügt euch doch nicht selbst“ einzumünden. Der anschließende Tenorsoloteil wird von abwechselnd einsetzenden Instrumentalblöcken umspielt, das sich anschließende Mezzosopransolo unisono von den Streichern mitgespielt, begleitet von schnellen Triolensechzehnteln in den Holzbläserakkorden. Der wiederaufgenommene und vom Chor mitgeführte Orchesterteil wird in chromatische Auf- und Abwärtsbewegungen der Streicher eingebettet, und das Solo der Baritonstimme, zunächst von rhythmischen Akkordschlägen des gesamten Orchesters skandiert, wird von Celli und Kontrabässen unisono begleitet und akkordisch durch hohe Streichertremoli gestützt, während der Chor in verminderten Septakkorden, umrahmt von sehr hohen Streichertremoli, den Satz zu Ende führt.
Der siebte Satz „Der Friede“, zunächst im Charakter eines Trauermarsches, erklingt - auf einem Triolenrhythmus der Pauke und einem absteigenden von Bratschen, Celli, Kontrabässen und Fagotten gespielten Viertonmotiv - in erster und zweiter Violine, erweitert durch verschiedene Blasinstrumente, ein scharf, auf Punktierung gestelltes, kanonisch geführtes Thema. Der durch Blasinstrumente verstärkte und im Kanon einer kleinen Terz in Sextparallelen geführte Chorsatz wird im weiteren Verlauf noch zweimal, jeweils mit einem anderen Text aufgegriffen. Er ist in ein Streichertremolo - quasi als „Klangteppich“ - eingefügt. Eine kurze Reminiszenz an den ersten Satz, vehement an die dramatisch kriegerische Auseinandersetzung gemahnend, führt zum Baritonsolo: „Ihr habt durch Krieg euch wider mich entschieden“, im Orchester durch die Triolentritonie des ersten Satzes begleitet. Die nur kurze Beruhigung „So dass ich todestraurig in die Trümmer zerbrochener Hoffnung wich“ mündet in eine Orchesterepisode kriegerischen Ausdrucks. Es folgt die eingangs erwähnte Wiederaufnahme des Chorkanons. Am Ende dieses Teiles erklingt - ebenfalls eine Reminiszenz an den ersten Satz - eine kriegerische oder auch schicksalhafte Orchesterepisode von äußerster Dramatik, gefolgt von „Ich bin gegeißelt zwar und wüst bespieen“, vom Mezzosopran einer Soloposaune in imitatorischer Führung vorgetragen, in einem Streichertremolo eingebettet. Die Aufnahme von Anfang und Chorkanon dieses Satzes führt ohne Pause und Zäsur in den groß angelegten Epilog mit Worten aus der Apokalypse des Johannes, Kapitel 21, Vers 1-5.
Dieser „Epilog“ entstand im Jahr 2002 als Neukomposition. Ein in Achtelnoten bewegter Orgelpunkt der Celli, Kontrabässe und der Pauke, eingelassen in ein Tremolo der ersten und zweiten Geigen und Bratschen, erklingt zunächst in den Hörnern, Fagotten und Klarinetten, nach und nach treten alle Holz- und Blechblasinstrumente hinzu, übermäßige Dreiklänge im Triolenrhythmus, quasi als Aufbruch in die Verheißung der Johannesworte. Im Solosopran erklingt, von der Soloflöte imitatorisch mitgeführt, auf einem akkordischen Streicherpizzicato: „Und ich sah einen neuen Himmel“, gefolgt von einer wortlosen Melodie im Chor, eine Art „Jubilus“, den der Solotenor mit „die von Gott her aus dem Himmel herab stieg auf die Erde“ weiterführt. Eine tänzerisch gehaltene Episode des Tenorsolisten „Schön wie eine Braut geschmückt“ führt zum Sopransolo: „Und vom Throne her ertönte eine laute Stimme“, wieder von der Soloflöte imitatorisch mitgeführt und dem akkordischen Streicherpizzicato begleitet. Erneut folgt als „Jubilus“ eine wortlose Chorepisode, in die die vier Gesangssolisten „Hier wohnt Gott“ einfügen und dann nacheinander einsetzend „Sein Volk werden wir sein“, gefolgt vom Chor „Er ist als ihr Gott für immer bei ihnen“, „Alle Tränen wird er abwischen“ und „Es wird keinen Tod mehr geben“.
Einem großen Orchesterzwischenspiel folgt der vom Chor a capella gesungene Teil: „Der auf dem Throne sitzt“, das gleiche wiederholt sich auf einer höheren Tonstufe. Machtvoll erklingt im Chor „Er spricht“, gefolgt von den vier Solisten: „Siehe, ich mache alles neu“, begleitet von Triolenakkorden des Orchesters. Eine Überleitung führt zu dem von Streich- und Holzblasinstrumenten harmonisch gestützten „Halleluja“, das noch zweimal um je eine große Sekunde höher erklingt. Das nun großangelegte Zwischenspiel des Orchesters auf dem Orgelpunkt f der Celli, Kontrabässe und der Pauke und die darüber gelegten übermäßigen Dreiklangsrückungen in den ersten und zweiten Violinen, Bratschen, Hörnern, Holzbläsern und Trompeten, verbunden mit einem stetigen Crescendo, münden in das vom Chor mehrmals in immer höherer Tonlage gesungene „Danket dem Herrn“, jeweils durch kurze orchestrale Modulationen miteinander verbunden. Charakteristisch für dieses „Dank-Thema“ ist das aufwärts geführte Intervall der kleinen None sowie der Endton, der eine große Terz über dem Anfangston liegt. Daraus resultiert jeweils der modulierende orchestrale Verbindungsteil zum nächsten „Danket dem Herrn“, ehe das vom Chor vorgetragene „Seine Huld und Gnad währet ewiglich“ dreimal jeweils um eine große Terz höher ertönt, in ähnlicher Satzart wie das bereits erklungene Halleluja.
Schließlich führt ein nochmals groß angelegtes Orchesterzwischenspiel auf dem Orgelpunkt g mit darüber in übermäßigen Dreiklangsrückungen und mit großem Crescendo ausgestatteten Streich-, Holz- und Blechblasinstrumentariums in das alles einschließende „Amen“. Für dieses „Amen-Thema“ ist wie beim bereits erklungenen „Dank-Thema“ die aufwärts geführte kleine None, hier aber am Ende die aufwärts geführte große None charakteristisch. Der Chor setzt mit dem gleichen „Amen-Thema“ unisono ein und endet jeweils auf einem schillernden Sechsklang, gefolgt von den vier Gesangssolisten. Eine harmonische und dynamische Steigerung in den vier Solostimmen, dem Chor und dem Orchester und ein plötzliches Innehalten wird dann durch ein nochmaliges großes Crescendo in den G-Dur Schlussakkord geführt.

Programmheft  Moselfestwochen, Heinz Heckmann

Zum Text der „Vier Apokalyptischen Reiter“
Der Text des Oratoriums „Die vier apokalyptischen Reiter“ stammt – mit Ausnahme des abschließenden „Epilogs“, der direkt dem 21. Kapitel der Offenbarung des Johannes entnommen ist – aus der Feder von P. Manfred Ruhrmann aus dem Orden der Salvatorianer. Er wurde 1910 in Westfalen geboren, empfing 1936 die Priesterweihe und war zunächst als Lehrer, Seelsorger und Schriftsteller bis 1940 im Kloster Steinfeld in der Eifel tätig. Nach dem Krieg wirkte er als Seelsorger im Ruhrgebiet. Von 1967 bis 1990 war er dann in Saarburg bei Trier tätig. Als Schriftsteller war er weit über die Region hinaus bekannt. Nach Auflösung der Ordensniederlassung an der Saar kehrte P. Manfred in seine Heimat, ins Sauerland, zurück. Er starb am 22. Oktober 1995 und fand auf dem Friedhof im Kloster Steinfeld seine letzte Ruhestätte.
Die biblisch-theologische Grundlage für seine geistliche Dichtung bilden die Verse 1-8 des 6. Kapitels der Offenbarung des Johannes, des letzten Buches des Neuen Testamentes. Dort schaut der Seher Johannes, wie das Lamm, das „geschlachtet ist“  und die Menschen für Gott erkauft hat, für würdig befunden wurde, ein mit sieben Siegeln versiegeltes Buch zu öffnen. Als es das erste der sieben Siegel öffnete, schaut der Seher ein weißes Pferd. Der darauf saß, hatte einen Bogen, und ihm wurde ein Kranz gegeben, und er zog aus „sieghaft und um zu siegen“. Als es das zweite Siegel öffnete, kam ein zweites Pferd, das war feuerrot. Und dem, der darauf saß, wurde Macht gegeben, den Frieden von der Erde zu nehmen, damit sie sich untereinander umbrächten, und ihm wurde ein großes Schwert gegeben. Als es das dritte Siegel öffnete, schaute der Seher ein schwarzes Pferd. Und der darauf saß, hatte eine Waage in seiner Hand. Der Seher hörte eine Stimme sagen: „ein Maß Weizen für einen Silbergroschen und drei Maß Gerste für einen Silbergroschen; aber dem Öl und dem Wein füge keinen Schaden zu!“. Und als das Lamm das vierte Siegel öffnete, erschien ein fahles Pferd. Auf ihm saß einer, dessen Name war: der Tod. Und die Hölle folgte ihm nach. Ihnen wurde Macht gegeben über den vierten Teil der Erde, um durch Schwert und Hunger und Tod und durch die Tiere der Erde zu töten.
Auf der Grundlage dieses neutestamentlichen Textes verfasste P. Manfred Ruhrmann seine sieben Sonetten. Jenseits des Streites um die unterschiedlichen Auslegungen, die dieser schwierig zu verstehende Text der Johannes-Apokalypse insgesamt und im Detail im Lauf der Theologie- und Kirchengeschichte erfahren hat,  sprechen die dichterischen Deuteworte von P. Manfred Ruhrmann den heutigen Leser unmittelbar und existentiell an. Die Gewissensfragen, Analysen und Mahnungen, aber auch die Trostworte, sind in gewisser Weise zeitlos und gerade darum immer aktuell, auch und gerade in der gegenwärtigen weltpolitischen Situation des Jahres 2003:
die aufrüttelnden Imperative „Wacht auf“, „Steht auf!“ und „Prüft das Gewissen!“ zu Beginn
die erschütternde Feststellung: wir sind selbst die Ursache des Unheils, wir zeugten die „vier Reiter“ selbst in und aus unseren eigenen Herzen
die Warnung, sich um immer neue Waffen zu bemühen, sich am Tod anderer reich zu raffen, denn durch Krieg wird nie Besitz gelingen; wer Wunden schlägt, muss auch die Wunden schließen; kein Krieg gibt Recht, vom Kriege zu genießen!
die Warnung auch, den eigenen Bauch zu mästen, wenn der Bruder nebenan verhungert
schließlich die tröstliche Feststellung, dass der Bußweg zum Frieden uns immer noch offen steht und wir auch als Schuldbeladene, aber nur auf den Knien, des Friedens-Gottes Kinder sind und bleiben.
So kann die geistliche Poesie der sieben Sonette, zusammen mit der inspirierenden Kraft der Musik des Oratoriums, den Leser und Hörer vielleicht zu einem vertieften „Verstehen“ der apokalyptischen, d. h. den Schleier des Sinnes der Weltgeschichte lüftenden, Offenbarungstexte führen. Denn es gilt hier im Besonderen, was der christliche Religionsphilosoph Valentin Tomberg allgemein konstatiert hat: „Der ‚Schlüssel’ zur Apokalypse des Johannes findet sich nirgendwo. Denn es geht nicht darum, sie zu interpretieren, um daraus ein philosophisches, metaphysisches oder historisches System zu entwickeln. Der Schlüssel zur Apokalypse liegt darin, sie zu praktizieren, d. h. sie als ein Buch spiritueller Übungen zu gebrauchen, die immer tiefere Schichten des Bewusstseins erwecken“.
Dichtung und Musik enthalten in sich die Kraft der Sehnsucht, von der in der siebenten Strophe die Rede ist. In der Religion geht es auch um Utopie, d. h. um „Noch-nicht-Orte“, um Vorstellungen, die noch keinen Ort haben in der Welt. Die in der Vision des abschließenden „Epilogs“ offenbarten Bilder der Erfüllung, vom „himmlischen Jerusalem“, von dem „neuen Himmel“ und der „neuen Erde“, vom „Trocknen der Tränen“, sind darum keine Vertröstung, sondern das eigentliche Antriebspotenzial zum Handeln für Frieden und Gerechtigkeit. „Wacht auf!“                                Programmheft „Moselfestwochen“, Dr. theol. habil. Wilhelm Maas