L'Epitaphe de Francois Villon

Trierischer Volksfreund, 7. Oktober 1981, Martin Möller

Eine Uraufführung beim Trierer Anglistenkongress
Trierer Kammerchor sang neue Heckmann-Komposition in der Promotionsaula des Priesterseminars

Im Zentrum dieser Veranstaltung stand die Uraufführung einer 1978 abgeschlossenen a cappella-Komposition des Trierers Heinz Heckmann. Dieser Grabspruch in Form einer Ballade, den Villon für sich und seine Kameraden schrieb, als er sich darauf gefasst machte, mit ihnen zusammen erhängt zu werden (kurz: Epitaph), Text: Francois Villon, für vier- bis achtstimmigen Chor a cappella, ist ein gelungenes, hörens- und aufführenswertes Werk, formal geschlossen, satztechnisch variabel, harmonisch farbig. Durch die geschlossene, aber in der Reprise doch geschickt umgestellte formale Anlage erhält die Musik Rundung und eine Art Coda-Effekt, besonderer Nachdruck liegt dabei auf der Textstelle "Prince Jesus", an der die Musik aus der umtransponierten Reprise ausbricht: eine Form also, die nicht bloß neben dem Text herläuft. Der durch Imitationen aufgelockerte Satz Note gegen Note begünstigt die Textverständlichkeit und entspricht bester Chanson-Tradition. Durch Teilung der Stimmen, quasi orchestrale Oktavverdoppelungen und clusterähnliche "Liegeklänge", erreicht der Komponist eine beträchtliche Variabilität, die im Dienste der Textausdeutung (Schlüsselworte) steht. Dass auch Chormusik a cappella unterschiedliche Klangfärbungen ermöglicht, bedient sich Heckmann sparsam und wirkungsvoll. ("Nous sommes mors" etwa vor Zi. 150), wie die Musik überhaupt die Stimmung des Textes eindrucksvoll wiedergibt.

Harmonisch ist der Epitaph in "gemäßgt tonaler" Schreibweise gehalten. Am Anfang und am Schluss stehen Dreiklänge, und auch an Binnenzäsuren läuft die Musik oft in Dreiklängen aus. Ansonsten ist die Harmonik doch auf eine ganz unschematische, gut ausgehörte Weise getrübt durch akkord- und funtkionsfremde "Störtöne", so dass sich Anschlüsse im überkommenen Sinn nur selten herstellen lassen.

Die Harmonik ist nun die eigentliche Klippe für die Wiedergabe dieses Werks. Zwar gestaltete der Komponist die Melodik der Einzelstimmen nur selten allzu schwierig, die Komposition verlangt jedoch intervallisches Singen; nicht allzu oft kann sich der Sänger am Gesamtklang orientieren und manche Reibungen, etwa Sekundparallelen, aber auch dissonante Intervalle zwischen den Außenstimmen und über dem Bass stellen regelrechte Fallen dar...

 

Münsterland-Zeitung, 7. November 1994, Heidrun Suerland

Ensemble bewies Stilsicherheit und technische PerfektionPsalmen und Gesänge, die auch von den Zisterziensern gesungen werden, standen diesmal auf dem Programm des 317. Marienlob in der Stiepelner Wallfahrtskirche. Zu Gast am Sonntag war das Niederrheinische Vokalensemble Duisburg unter der Leitung von Uwe Maibaum

... Zu den bemerkenswertesten Interpretationen dieses Nachmittags, bei dem Werke des 17. bis 20. Jahrhunderts auf dem Programm standen, gehörte Heinz Heckmanns "Grabspruch in Form einer Ballade". Das in französischer Sprache gesungene Stück beeindruckte vor allem durch dramaturgische Steigerungen und große Expressivität und hinterließ einen nachhaltigen Eindruck von dem Können dieses Chores...

 

Neue Rheinzeitung, 8. November 1994, Josef Pogorzalek

Ein beklemmendes akustisches Mahnmal

"Mag sein, dass der Jüngste Tag morgen anbricht. Dann wollen wir die Arbeit für eine bessere Zukunft aus der Hand legen. Vorher aber nicht." Das schrieb Dietrich Bonhoeffer Ende 1942. Zweieinhalb Jahre später wurde der Theologe als Widerstandskämpfer von Nazi-Schergen hingerichtet. Sein Appell bildete den Abschied einer Feierstunde im Landgericht, die den Opfern rassischer und politischer Verfolgung geweiht war. Musik und nachdenkliche Texte fügten sich zu einem akustischen Mahnmal zusammen...

Den Hauptteil des Programms bestritt das Niederrheinische Vokalensemble unter Uwe Maibaum. Der hervorragende Chor ließ u.a. Bachs Motette "Jesu, meine Freude zum Genuss werden. Besonderen Beifall verdiente aber ein von Heinz Heckmann 1978 vertonter "Grabspruch" nach Francois Villon. Das ebenso schwierige wie reuzvolle Stück, das voller frappierender Klangeffekte steckt, setzte dem Abend nicht nur die musikalische Krone auf. Villons düstere Worte, geschrieben im Angesicht seiner eigenen Hinrichtung, wurden zur Quintessenz des Abends: "... Doch bittet Gott, er möge uns verzeihen."

 

Text

L'Épitaphe de Villon ou "Ballade des pendus"
Ihr Menschenbrüder, die ihr nach uns lebt
Verhärtet euer Herz nicht gegen uns;
Denn wenn ihr Mitleid mit uns Armen habt,
Wird Gott euch um so eher gnädig sein.
Hier seht ihr uns gehängt, zu fünft, zu sechst;
Was unser Fleisch war, das wir allzu sehr gemästet,
Es ist in Stücken abgefressen und verfault,
Et nous, les os, devnons cendre et poudre.
De notre mal personne ne s'en rie;
Mais priez Dieu que tous nous veuille absoudre!

Se frères vous clamons, pas n'en devez
Avoir dédain, quoique fûmes occis
Par justice. Toutefois, vous savez
que tous hommes n'ont pas bon sens rassis..
Excusez-nous, puisque sommes transis,
Envers le fils de la Vierge Marie,
Que sa grâce ne soit pour nous tarie,
Nous préservant de l'infernale foudre.
Nous sommes morts, âme nenous harie,
Mais priez Dieu que tous nous veuille absoudre!

La pluie nous a débués et lavés,
Et le soleil desséchés et noricis.
Pies, corbeaux nous ont les yeux cavés,
Et arraché la barbe et les sourcils.
Jamais nul temps nous ne sommes assis
Puis cà, puis là, comme le vent varie,
A son plaisir sans cesser nous charrie,
Plus becquetés d'oiseaux que dés à coudre.
Ne soyez donc de notre confrérie;
Mais priez Dieu que tous nous veuille absoudre!

Prince Jésus, qui sur tous a maistrie,
Garde q'Enfer n'ait de nous seigneurie:
A lui n'ayons que faire ne que soudre.
Hommes, ici n'a point de moquerie;
Mais priez Dieu que tous nous veuille absoudre!

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deutschsprachige Nachdichtung aus unbekannter Quelle

Ihr Menschenbrüder, die ihr nach uns lebt
Verhärtet euer Herz nicht gegen uns;
Denn wenn ihr Mitleid mit uns Armen habt,
Wird Gott euch um so eher gnädig sein.
Hier seht ihr uns gehängt, zu fünft, zu sechst;
Was unser Fleisch war, das wir allzu sehr gemästet,
Es ist in Stücken abgefressen und verfault,
Und wir Gebeine werden Staub und Asche.
Es möge niemand über unser Unheil lachen;
Doch bittet Gott, er möge allen uns verzeihen.

Wenn wir euch Brüder nennen, sollt ihr's nicht
verachten, auch wenn wir nach Recht und Brauch
Getötet wurden. Wisset jedenfalls,
dass nicht alle Menschen gesunden Sinnes sind.
Tut für uns, da wir hingeschieden,
Fürbitte bei dem Sohn der Jungfrau Maria,
Dass seine Gnade nicht für uns versiege
und uns vom Bannstrahl der Verdammnis rette.
Wir sind jetzt tot, und niemand wolle uns mehr stören;
Doch bittet Gott, er möge allen uns verzeihen.

Der Regen hat und abgespült, gewaschen,
die Sonne uns gedörrt, geschwärzt;
Elstern und Raben haben uns die Augen ausgehöhlt
und Bart und Brauen abgerissen.
Nie haben wir ein Weilchen Ruhe;
hierhin und dorthin, wie der Wind sich dreht,
treibt er uns unabhängig nach Lust und Laune,
von Vögeln ärger noch zerpickt als Fingerhüte.
So tretet unserer Bruderschft nie bei;
Doch bittet Gott, er möge allen uns verzeihen.

Göttlicher Jesus, der Du unser aller Herr bist,
Lass nicht die Hölle über uns siegen,
Dass wir nicht verfallen und Tribut entrichten.
Ihr Menschen, Spott ist hier nicht angebracht;
Doch bittet Gott, er möge allen uns verzeihen!