5 Lieder nach Texten von Christian Morgenstern
Trierischer Volksfreund, 11. Juli 1977, Gabriele Luster
Große Oper im kleinen Lied
Matinee mit Andreas Näck und Heinz Heckmann im Simeonstift
… Auch die Heckmann-Lieder, die eigens für Andreas Näck komponiert wurden, richten sich in der Nuancierung nach der kraftvollen markigen Stimme des Sängers. Gleichwohl gelang es Heckmann hier besonders in der Begleitung, die lautmalend den Text interpretiert, stärker zu differenzieren. Morgensterns grotesker Witz und Ironie laden wohl dazu ein, und Heckmann nutzte diese Chance , ließ die Wipfeln der Tannen („Zwei Wurzeln“) rauschen, die unbedarfte Geiß („Geiß und Schleiche“) die Melodie nachempfindend durch den Wald staksen, charakterisierte in nicht endenden Läufen und Trillern die flinke „Mitternachtsmaus“, ließ den „Seufzer“ in endlosen Arpeggien über das Eis gleiten, und machte aus dem „Bim, bam, bum“, ganz so wie es der Text suggeriert, eine große Oper. Das Schicksal des Glockentons wurde in mächtigen Akkorden beschworen, das ostinate „Bim, bam, bum“ im Hintergrund, wurde zur Tragödie aufgeplustert. Schade nur, dass sich das Parodistische, zu dem sich Wort und Ton hier vereinen, gebremst durch die Uraufführungsnervosität, nicht stärker auf das Publikum übertrug. Doch der Ernst, mit dem beide Künstler bei der Sache waren, wird sicher bald dem ironischen Abstand weichen, der sich dann wohl auch in Heiterkeit beim Publikum äußert.
… Viel Applaus und als Zugabe das „Bim, bam, bum“.

 

Saar-Mosel-Rundschau, 14. Juli 1977, B. Matthieu
… Was zunächst an der Musik Heckmanns auffällt, ist die absolute Selbständigkeit der Begleitung gegenüber der Melodie. Die Melodieführung ist relativ einfach (und eingängig). Ihr ist eine oft recht unruhige, in drängende Rhythmen gefasste, gelegentlich virtuos anmutende Begleitung unterlegt, die sich sehr deutlicher Lautmalerei bedient. Man hört die Wipfel rauschen („Zwei Wurzeln“), „Die Mitternachtsmaus“ pfeifen und in einer plötzlich (gewissermaßen steil) fallenden Kadenz schmilzt der „Seufzer“. Man kann aus der Musik von Heinz Heckmann (entsprechend dem vertonten Text) ironisch verfremdete Elemente heraushören, die aber gelegentlich doch etwas zu gewichtig klingen oder bei der Uraufführung vielleicht nur so interpretiert wurden („Bim; bam; Bum“). Im Ganzen eine sehr eigenwillige, recht interessante Umsetzung der skurrilen Lyrik von Christian Morgenstern in Musik.
Andreas Näck – ihm hat Heinz Heckmann die Lieder gewidmet – trug die „Galgenlieder“ mit seinem schönen vollen Bariton sehr differenziert und mit viel Einfühlungsvermögen vor. 1977 7 Lieder nach Gedichten von Christian Morgenstern, für Bariton und Klavier, UA 30. Juli 1978: Milwaukee (USA) im Rahmen eines Konzertes des Goethe-Instituts, John Pflieger (Bariton), Katja Philabaum (Klavier)

 

Text

Die zwei Wurzeln
Zwei Tannenwurzeln groß und alt
unterhalten sich im Wald.
Was droben in den Wipfeln rauscht,
das wird hier unten ausgetauscht.
Ein altes Eichhorn sitzt dabi
und strickt wohl Strümpfe für die zwei.
Die eine sagt: knig. Die andere sagt: knag
Das ist genug für einen Tag.
 
Geiß und Schleiche
Die Schleiche singt ihr Nachtgebet,
die Waldgeiß staunend vor ihr steht.
Die Waldgeiß schüttelt ihren Bart
wie ein Magister hochgelahrt.
Sie weiß nicht, was die Schleiche singt,
sie hört nur, dass es lieblich klingt.
Die Schleiche fällt in Schlaf alsbald.
Die Geiß geht sinnend durch den Wald.
 
Die Mitternachtsmaus
Wenn mitternächtigt und nicht Mond
noch Stern das Himmelshaus bewohnt,
läuft zwölfmal durch das Himmelshaus
die Mitternachtsmaus
Sie pfeift auf ihrem kleinen Maul, -
im Traum brüllt der Höllengaul ...
Doch ruhig läuft ihr Pensum aus
die Mitternachtsmaus
Ihr Herr, der große weiße Geist,
ist nämlich solche Nacht verreist.
Wohl ihm!
Es hütet ihm sein Haus
die Mitternachtsmaus.
Ihr Herr, der große weiße Geist,
ist nämlich solche Nacht verreist.
Wohl ihm! Es hütet ihm sein Haus
die Mitternachtsmaus.
 
Der Seufzer
Ein Seufzer lief Schlittschuh auf nächtlichem Eis
und träumte von Liebe und Freude.
Es war an dem Stadtwall, und schneeweiß
glänzten die Stadtwallgebäude.
Der Seufzer dachte an ein Maidelein
und blieb erglühend stehen.
Da schmolz die Eisbahn unter ihm ein -
und er sank - und ward nimmer gesehen.
 
BIM, BAM, BUM
Ein Glockenton fliegt durch die Nacht,
als hätt er Vogelflügel;
er fliegt in römischer Kirchentracht
wohl über Tal und Hügel
Er sucht die Glockentönin BIM,
die ihm vorausgeflogen;
d.h., die Sache ist sehr schlimm,
sie hat ihn nämlich betrogen
"O komm", so ruft er, "komm, dein BAM
erwartet dich voll Schmerzen.
Komm wieder, BIM, geliebtes Lamm,
dein BAM liebt dich von Herzen!"
Doch BIM, dass ihrs nur alle wisst,
hat sich dem BUM ergeben;
der ist zwar auch ein guter Christ,
allein, das ist es eben.